Bezahlen Krankenkassen Feldenkraisunterricht?
Bis Ende 1996 wurden die Gruppenstunden im Rahmen der Gesundheitsvorsorge bezuschußt, wie etwa Yoga oder Rückenschule auch. Seit 1997 ist dies den Kassen per Gesetz im Zuge der Sparmaßnahmen verboten, so daß heute keine Kasse die Gruppenstunden unterstützt.
Die Feldenkrais-Methode ist kein medizinisches Heilverfahren und hat keine Ziffer in der Gebührenordnung. Deshalb werden in der Regel Einzelstunden ebenfalls nicht von den Kassen bezahlt. Da die Kassen aber einen geringen Teil ihrer Mittel unter gewissen Bedingungen für sogenannte „Alternative Heilmethoden“ ausgeben dürfen, gelingt es gelegentlich doch, eine Kostenbeteiligung zu erreichen. Voraussetzung hierfür ist die Befürwortung des Arztes sowie der Nachweis, daß die zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Verfahren erfolglos probiert wurden. Aber selbst wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, müssen sich die Antragsteller meist auf ein Widerspruchsverfahren einlassen, da die Sachbearbeiter vor Ort die Anträge in aller Regel erst einmal ablehnen. Eine Ausnahme bildet die Beihilfe. Seit eine Betroffene die Kostenbeteiligung der Beihilfe an Einzelstunden erfolgreich vor Gericht eingeklagt hat, bezuschußt diese Einzelstunden, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Ist Feldenkrais eine Art (Kranken-) Gymnastik?
Die in der Überschrift gestellte Frage ist eindeutig mit „nein“ zu beantworten, so daß ich eigentlich zum nächsten Thema übergehen könnte. Da sie aber immer wieder gestellt wird, möchte ich die Antwort ausführlicher begründen.
Gymnastik und Krankengymnastik haben in ihren Grundlagen und Arbeitsweisen gemeinsame Wurzeln. Da sich die Krankengymnastik in sehr viele verschiedene Zweige ausdifferenziert hat, möchte ich mich in der Argumentation auf die Gymnastik beschränken, obwohl ich davon ausgehe, daß sich die meisten der folgenden Argumente auch auf die Krankengymnastik übertragen lassen.
Die Arbeitsweisen der Gymnastik bestehen aus Dehnen, Kräftigen und Lockern der Muskulatur. Verkürzte Muskeln werden gedehnt. Je länger die Muskeln sind, desto mehr Spielraum entsteht für die Gelenke, was wiederum ein guter Schutz vor Verletzungen ist. Zu schwache Muskulatur wird gekräftigt. Kräftige Muskeln erlauben zum einen schnellere Bewegungen und sind zum anderen in der Lage, mehr Gewicht zu tragen bzw. ein gleich hohes Gewicht länger zu halten. Eine kräftige Rumpfmuskulatur z.B. bildet eine Art „Muskelkorsett“, welches die Wirbelsäule stützt und schützt. Verspannte Muskeln werden gelockert, um Entspannung zu erzeugen.
Dieses Konzept der Gymnastik scheint auf den ersten Blick schlüssig zu sein, hat aber m. E. einen ganz entscheidenden Haken: Die Muskulatur wird als eine Art mechanische Gerätschaft angesehen, welche durch geschickte Manipulation zu verändern sei. Hierbei wird ausgeblendet, daß keine einzige Muskelfaser ein Eigenleben führt, sondern daß alles Tun oder Lassen der Muskulatur vom Gehirn gesteuert wird. Ohne einen entsprechenden Befehl des Gehirns spannt sich kein Muskel an und läßt kein angespannter Muskel los. Begriffe wie „verkürzte Muskulatur“, „verkümmerte Muskulatur“ oder „verspannte Muskulatur“ suggerieren, irgend etwas mit den Muskeln sei nicht in Ordnung und dieser Fehler wäre mittels Gymnastik zu korrigieren. Korrekter wäre es m.E., statt dessen von verbesserungswürdigen Befehlen des Gehirns zu sprechen.
Die Feldenkrais-Methode setzt nicht an der Veränderung der Muskulatur an, sondern zielt auf eine Verbesserung der Muskel- und Bewegungssteuerung im Gehirn. Statt
verspannte Muskeln zu lockern wird bevorzugt, den Menschen eine solche Art des Umgangs mit Bewegung beizubringen, daß erst gar keine Verspannungen auftreten.
Beweglichkeit verbessert sich im Verständnis der Feldenkrais-Methode nicht durch Dehnung der Muskulatur, sondern durch verbessertes Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligten Gelenke. Dieses Zusammenspiel wird wiederum vom Gehirn gesteuert. Ist das Zusammenspiel der Gelenke erst einmal verbessert, so stellt sich die Muskulatur bezüglich ihrer Spannung und Länge automatisch auf die neuen Verhältnisse ein.
Auch das gezielte Kräftigen von Muskeln ist aus Sicht der Feldenkrais-Methode ein eher mühsames Unterfangen von zweifelhaftem Nutzen für den Durchschnittsbürger, der keine sportlichen Höchstleistungen vollbringen, sondern lediglich gesund und angenehm sein Leben leben möchte. „Die Funktion bestimmt die Form“ ist ein ehernes Gesetz der Physiologie, dessen Richtigkeit unmittelbar einleuchtet. Ist beispielsweise ein Arm für drei Wochen eingegipst, so ist nach der Entfernung des Gipses die Armmuskulatur ganz beträchtlich geschrumpft. D. h., daß sich die Muskelmasse und damit die Kraft immer der Art der Beanspruchung anpaßt. Viel und kräftig benutzte Muskeln sind dick, wenig oder gering belastete Muskeln sind dünn. Dünne Muskeln als „verkümmert“ zu bezeichnen ist m. E. nicht angemessen. Sie sind lediglich ihrer Funktion angepaßt, d. h., sie sind dünn, weil sie keine großen Aufgaben zu erledigen haben. Sparsamer Umgang mit Material durch den Körper scheint mir die angemessenere Bezeichnung zu sein. Anstatt nun wenig benutzte Muskulatur durch Krafttraining künstlich zu kräftigen, zieht es die Feldenkrais-Methode vor, die Organisation von Alltagsbewegungen im Gehirn so zu verändern, daß möglichst viele Muskelgruppen beteiligt werden. Sollte eine bestimmte Muskelgruppe für ihre veränderte Aufgabe zu schwach sein, so wird sie innerhalb weniger Wochen, trainiert durch den Alltag, auf dem erforderten Kraftniveau sein.
Zusammengefaßt kann festgestellt werden, daß die Gymnastik den Zustand der Muskulatur durch Dehnen, Kräftigen und Lockern verändert. Sie ist dabei auf lebenslanges Training angewiesen, da die erzielten Effekte ohne Training nach einigen Wochen oder Monaten verschwinden.
Die Feldenkrais-Methode zielt auf eine veränderte und bewußte Bewegungssteuerung durch das Gehirn mittels Lernprozessen. Diese sind dauerhafter Natur und bedürfen nicht ständiger Wiederholung.
Ist Feldenkrais eine Sekte oder Spielart der Esoterik?
Weder noch! Die Feldenkrais-Methode propagiert keinerlei Dogmen, sondern trachtet danach, Bedingungen herzustellen, unter denen jedes Individuum seine Wahrnehmungsfähigkeit und seine Urteilskraft verbessern kann. Es werden keine Wahrheiten dem Glauben anempfohlen, sondern die TeilnehmerInnen werden ermutigt, eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen als subjektiv gültig anzuerkennen.
Es ist allerdings durchaus möglich, daß der Prozeß der verbesserten Selbstwahrnehmung in einzelnen Menschen tiefere emotionale, mentale oder spirituelle Einsichten offenlegt. Hierbei handelt es sich um sehr persönliche, individuelle Erfahrungen, die von der Methode weder intendiert sind, noch behindert werden.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.
Häufig gestellte Fragen